Kriegerische Geschichte im friedlichen Wald
Da ist er, der „Kanonenplatz“. Ich fühle mich ein wenig überrascht. Ein Viereck umgeben von Erdwällen. Gras wächst darauf. Zwei Holzleitern liegen an den Wällen. - Gerade so, als hätten Soldaten sie dort angelegt, um die Wälle zu erstürmen, sagt mir meine von der Szenerie angeregte Fantasie. Drinnen stehen eine kleine Holzhütte, ein paar Spanische Reiter und die aus Holz gefertigte Attrappe einer alten Kanone. Rechts und links grenzen weitere Erdwälle an. Davor ist ein Graben ausgehoben.
Eben noch sind wir durch den Wald gewandert, Vögel zwitscherten, friedlich war das - und nun, auf einmal, steht man vor den Relikten eines Krieges aus vergangenen Zeiten. Und diese Zeiten wirken nah – wahrscheinlich weil die Anlage so gut erhalten und gepflegt ist, und weil es auf Info-Tafeln ausführliche Erläuterungen gibt.
Gut 260 Jahre alt ist die Schanzanlage unweit der B242, die hier Hochharzstraße heißt. Der Platz war Teil eines Festungssystems, das Preußen während des Siebenjährigen Krieges im Harz anlegen ließ. Die Info-Tafel klärt über die Hintergründe auf. Während des Kriegs versuchten französische Truppen, nach Preußen vorzudringen. Dazu mussten sie den Harz überqueren. Die Hochstraße war eine wichtige Verbindung. Vom Kanonenplatz aus konnte man die Straße beschießen. 1760 wurde die Schanzanlage auf den Überresten eines befestigten Platzes aus dem 30-jährigen Krieg (1618 – 1648) errichtet. Anders als heute muss damals der Blick auf die wenige hundert Meter entfernte Straße frei gewesen sein.
Ganz in der Nähe gab es einen Brunnen. Überreste dieses „Franzosenbrunnens“ kann man noch sehen, wenn man einen der Schanzgräben entlanggeht.
Wald, Wiesen und ein wunderschöner Brockenblick
Errichtet wurde die Anlage von Bauern aus der Umgebung. Diese hatten wohl keine Wahl. Sie wurden einfach zwangsrekrutiert. Den Krieg erlebten sie ohnehin in erster Linie als Opfer.
Einquartierungen, Abgaben, Zwangsrekrutierungen, Geiselnahmen – das sind Stichworte, die man im Internet findet, wenn man das Stichwort „Siebenjähriger Krieg im Harz“ googelt. Dem waren die Menschen ausgeliefert. Besonders im Unterharz müssen häufig wechselnde Truppen unterwegs gewesen sein, aber auch anderswo war die Situation oft unüberschaubar. Wessen Soldaten wann und aus welchem Grund ein- und wieder abzogen, blieb den Einwohnern der Dörfer und Städte wohl meist unklar.
Einen Eindruck davon vermittelt das Tagebuch von Andreas Georg Wähner. Es ist als zweiter Band zur Göttinger Stadtgeschichte digital zugänglich und ein lesenswertes Zeitzeugnis.
Davon weiß ich allerdings noch nichts, als ich auf dem Kanonenplatz stehe und versuche, mir vorzustellen, wie sie früher war, als die Bauern hier auf den Höhen des Harzes gezwungenermaßen schanzten. Das nächste Dorf war nicht einmal weit weg. Wenn man vom Kanonenweg Richtung Selketal-Stieg an der rekonstruierten Schanzanlage weiterwandert, kommt man zur Wüstung Selkenfelde. Eine weitere Infotafel gibt über die frühere Siedlung Auskunft. Viel zu sehen ist dort aber nicht mehr.
Wir wandern weiter durch den wieder friedlichen Wald. Unsere Route führt den Selketal-Stieg entlang zurück nach Stiege. Am Waldrand machen wir auf einer Bank Rast und genießen einen fantastischen Blick über Wiesen und Felder zum Brocken.
Rund 8 Kilometer lang ist unsere Runde. Als Kontrast zum kriegerischen Kanonenplatz gibt es wunderschöne Passagen durch friedvolle Wälder. Gestartet sind wir am See in Stiege. Dort endet unsere Tour auch.
Den Ausflug zum Kanonenplatz würden wir wieder machen. Beim nächsten Mal werden wir aber nicht mehr den Hang am Schloss hinaufsteigen und dann dem „Weg der Deutschen Könige und Kaiser“ folgen. Er ist zwar mit einer goldenen Königskrone gut erkennbar beschildert, führt aber über rund eineinhalb Kilometer an der B242 entlang, ohne dass es dort einen wirklichen Wanderweg gibt. Man muss über Wiesen wandern oder direkt an der stark befahrenen Straße entlang gehen.
Besser nimmt man die Route von Stiege über den Selketal-Stieg Richtung Güntersberge.
Am Ende genießen wir in Stiege am See noch einmal den wunderschönen Blick auf das alte Schloss und die Kirche, die gegenüber am Hang stehen. Die Gebäude und die Bäume dazwischen spiegeln sich so hübsch im Wasser, dass es schon an Kitsch grenzt. Allein das wäre einen Ausflug wert.
Die Geschichte des Schlosses geht bis ins Jahr 919 zurück. Heute gibt es dort Kaffee und Kuchen. Man kann auch Räume für Veranstaltungen buchen.
Der Kontrast ist beachtlich: Eben war ich noch durch den Wald gewandert und hatte mich an der Natur erfreut - und dann bin ich auf einmal mit der Geschichte eines Krieges konfrontiert: Der Kanonenplatz kann wirklich beeindrucken.
Später habe ich ein wenig nachgelesen und festgestellt: Den Menschen in und um den Harz setzte der siebenjährige Krieg, in dem die Befestigungsanlage errichtet wurde, mächtig zu.
Externe Links:
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Zur Zeit des Siebenjährigen Krieges im Harz findet man im Internet zahlreiche Texte. Zwei Links habe ich hier ausgesucht.
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