Die Hauptstadt der Champagne lockt mit Fachwerk und Kathedrale
Troyes – eine Stadt, bei der man ins Staunen und ins Schwärmen kommt. Champagner, Kathedralen, Fachwerkhäuser, Mittelalter, der Dichter Chrétien de Troyes, auf den die Geschichte von Parzival und dem heiligen Gral zurückgeht. All das verbindet sich bei mir mit dem Namen Troyes, und als wir mit unserem Campervan aus Richtung Chartres kommend von der Autobahn A7 abbiegen, kann ich es kaum erwarten, die Stadt zu sehen.
Doch dann beginnt erst mal die Suche. Wir stauen uns langsam Richtung Zentrum, statt zum Wohnmobil-Stellplatz leitet uns unser Navi direkt an die Seine. Irgendwann stehen wir vor einem Verwaltungsgebäude aus dem 19. Jahrhundert und kommen nicht mehr weiter. Vor dem Eingang zu einem repräsentativen Garten sagt die Stimme aus dem Lautsprecher „...sie haben Ihr Ziel erreicht.“
Haben wir nicht. Aber ärgern hilft nicht. Im zweiten Anlauf klappt`s und wir kommen endlich zum Aire des Camping-car an der Rue Roger Salengo 7 im Vorort Pont-Saint-Marie. Dort ist schon mittags viel los. Es empfiehlt sich, früh anzureisen. Der Platz ist wirklich gut, man steht ruhig, es gibt ein wenig grün und die Atmosphäre ist entspannt.
Prima auch: Man kommt schnell und ohne Probleme in die Innenstadt und wieder zurück. Ganz in der Nähe gibt es eine Bushaltestelle. Wir nehmen jedoch lieber das Rad und folgen einfach der Hauptstraße und den Schildern Richtung Kathedrale.
Die Kunst des gotischen Kathedralenbaus
Reisen kann ganz einfach sein. Fahrräder abstellen. Staunen. Saint-Pierre-et-Saint-Paul de Troyes heißt die Kathedrale. Wir stehen davor, ich blicke hinauf zum Turm. Das Gebäude ist riesig, und es wirkt noch größer, weil es ganz nah an den Häusern auf der anderen Straßenseite steht. Ein paar Daten: 114 Meter ist die Kathedrale lang und 50 Meter breit. Ihr Turm ist 62,3 Meter hoch. Handwerker und Baumeister hatten lange mit dem gotischen Bauwerk zu tun. Es war weit mehr als eine Lebensaufgabe. Die Arbeiten begannen im 12. Jahrhundert, im 13. entstanden der Chor und das Querhaus, ein Jahrhundert später das Langhaus. Die Westfassade wurde viel später fertig – erst im 17. Jahrhundert.
In der Architektur des Gebäudes macht sich das bemerkbar. Im Innern gibt es luftige Bögen und helle, fast hallenartige Räume. Alles wirkt großzügiger als beispielsweise in Chartres. Die Fassaden benötigen nicht mehr die vielen großen Stützbögen älterer Kirchen. Die französischen Baumeister konnten auf architektonische und mathematische Kenntnisse ihrer islamischen Kollegen aus Spanien zurückgreifen, nachdem die christliche Welt dort die moslemische verdrängt hatte.
Saint-Pierre-et-Saint-Paul ist nicht die einzige große, gotische Kirche in Troyes. Saint-Urbain und Sainte Madeleine stehen unweit entfernt. Es sind zwei weitere riesige Gebäude in der Altstadt – sie machen deutlich, welche überragende Bedeutung die Religion im Mittelalter hatte. Alles im Leben war an ihr ausgerichtet.
Aber die großen Kirchen sind bei weitem nicht alles, was Troyes den Freunden der Geschichte zu bieten hat. Die Stadt verfügt über ein einzigartiges Fachwerkensemble. Das erstaunt umso mehr, als 1524 ein Feuer in der Stadt wütete und ganze Viertel zerstörte. Eine interessante Geschichte dazu findet man im Internet im Blog der Seite Troyes La Champagne .
Wie es zu dem Feuer kam, ist wohl bis heute nicht geklärt. Aber nach dem Desaster bauten die Einheimischen ihre Häuser wieder auf. Sie verwendeten immer noch Eiche als Baumaterial, verzierten die Gebäude aber moderner im Stil der Renaissance. Ab 1667 erhielten die Häuser zudem einen Kalkanstrich zum Schutz gegen Feuer. „So erwachte Troyes, die schlafende Schönheit, im Glanz von Tausend Farben“, heißt es zum Abschluss des Textes über die Brandkatastrophe.
Älter sind die Fachwerkhäuser im historischen Viertel Saint-Jean-au-Marché rund um die Ruelle des Chats, den Cour du Mortier d'Or und die Kirche Sainte Madeleine.
Rundgang durch das Fachwerk-Ensemble
Ein gut markierter Rundgang führt Touristen durch all diese Ensembles, und mit etwas Fantasie kann man sich einen Eindruck vom Leben in früheren Jahrhunderten machen. Die Gassen sind eng. In manchen trennt nur ein schmaler Weg die gegenüberliegenden Häuser. Viel Privatsphäre wird es dort früher nicht gegeben haben. Durchs Fenster konnte man dem Nachbarn auf den Tisch gucken. Fachwerk ist hellhörig, und so wird man auch akustisch allerhand mitbekommen haben. Tagsüber klang Hämmern und Klopfen aus den Werkstätten im Erdgeschoss, und nachts - wenn man nicht schlafen konnte, weil man die Gedanken an die schöne Nachbarin nicht aus dem Kopf bekam - hörte man vielleicht ein leichtes Schnarchen. Die Schöne nebenan hatte eine feine, schmale Nase mit ein paar süßen Sommersprossen, aber eben auch eine leicht verkrümmte Nasenscheidewand.
Wer weiß das schon so genau. Die Fantasie kann tanzen, wenn man durch Troyes Altstadt bummelt.
Am Nachmittag unseres Besuchs ist viel los in der Stadt. Trotzdem bleibt es in manchen der engen Gassen richtig ruhig. Die Einheimischen sind freundlich. Während ich fotografiere, kommt Gudrun mit einer Frau ins Gespräch, die ihr einen wunderschönen alten Innenhof zeigt, ein weiteres historisches Kleinod, das mehr als einen Blick lohnt.
In der Ruelle des Chats hingegen brummt der Alltag. Dort drängen sich Touristen und Einheimische zwischen den Cafés und Restaurants in den Erdgeschossen der Häuser. Tische, Stühle und Bänke stehen in der schmalen Straße. Wer Hunger hat kann wählen und die Auswahl ist groß. Traditionell oder modern, konventionell oder etwas ausgeflippt. Wir lassen uns an einem langen Tisch mit einigen Jugendlichen nieder. Es gibt verschiedene Burger. Wir wählen einmal vegetarisch und einmal mit Huhn, dazu Pommes Frites und zum Abschluss zweimal Espresso. Troyes kann einfach herrlich sein ... auch wenn man nicht ein einziges Schlückchen Champagner genossen hat. Wir haben statt dessen Cidres gekauft, im Shop einer noblen Kelterei, gleich gegenüber der Kathedrale und zwei schicke Gläschen dazu. Ein bisschen Luxus darf schon sein, auch wenn man mit dem Campervan unterwegs ist.
Mehr Interssantes über Städte und Kathedralen in Frankreich gibt es hier: In Chatres will man die Kathedrale sehen
und hier: Amien mit Kathedrale und moderner Kunst.
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