Ein Brunnen mit einem Kinderkopf steht in Kneitlingen. Foto: Kai-Uwe Ruf
Ein Brunnen mit einem Kinderkopf steht in Kneitlingen. Foto: Kai-Uwe Ruf

Auf den Spuren eines Narren

Zwischen Elm und Asse können Radler Till Eulenspiegel näherkommen. 60 Kilometer lang ist der Eulenspiegel-Radweg.

 

Von Kai-Uwe Ruf

 

In Ampleben müssen wir dann doch suchen. Die gelben Schilder für den Eulenspiegel-Radweg weisen den Weg hinauf und dann nach rechts aus dem Dorf hinaus. Dabei haben wir die Stationen mit den Till-Historien im Dorf noch gar nicht gesehen. Wir fragen einen alten Mann, der zu Fuß vom Feld kommt und Richtung Dorfmitte geht.

 

„Das Backhaus ist hinter der Bäckerei“, sagt er, bevor er weitergeht. Und auf Nachfrage auch noch: „Beim Kinderspielplatz“.

 

Das hilft. Wir drehen um, rollen den Berg hinunter, dann rechts und links durchs Dorf. Dann stehen wir vor der nächsten grünen Tafel. Sie erzählt, wie Till Eulenspiegel einen Bäcker hinters Licht führte, um Brot für seine Mutter mit nach Hause zu bringen. Dreist und durchtrieben wirkt der Narr in der Geschichte auf mich. Am Rand der Legalität bewegte er sich ohnehin.

 

Wir wollen einen Tag auf den Spuren Till Eulenspiegels verbringen. Der Eulenspiegel-Radweg, den es im Kreis Wolfenbüttel gibt, bietet dazu eine gute Gelegenheit. Man kann Sport, Geschichte und Kultur der Region miteinander verbinden, und wenn man die Originalstrecke ein wenig abwandelt, kann man dabei mit dem Rennrad zwischendurch sogar richtig schnell fahren.

 

Knapp zwei Sunden bevor wir den alten Mann in Ampleben getroffen haben, sind wir in Wolfenbüttel aufgebrochen. Vom Schloss geht es nach Klein Denkte. Die Dorfkirche war das einzige Gebäude, das den 30-jährigen Krieg überstand, berichtet eine Infotafel. Mit Respekt betrachte ich die alten Mauern, die ich vorher nie richtig wahrgenommen habe, obwohl ich nur wenige Kilometer entfernt wohne. Als wir weiterfahren, kommt uns eine Walkerin entgegen, die furchtbar über einen Mann schimpft. „So ein Idiot“, ruft sie mehrmals und marschiert verbissen vor sich hin. Uns weht der Wind ins Gesicht.

 

In Neindorf hat die Kirche die Gewalt des 30-jährigen Krieges nicht überstanden, sie wurde später wieder aufgebaut. Beeindruckend alt sieht sie dennoch aus. Und mehr als ihren Turm hatte ich vorher auch noch nie gesehen.

 

Wir radeln über die nächste Kuppe. In der Ferne sehen wir zwischen Wolken die Spitze des Brocken. Hoffentlich fängt es nicht noch an zu regnen, denke ich.

 

Es geht weiter nach Kissenbrück, Groß Biewende, und dann bei Remlingen über die Asse. Wir lernen immer mehr der Mini-Geschichten über den Schöppenstedter Narren kennen, aber die Neugierde wird nicht gestillt. Im Gegenteil. Von Station zu Station will ich mehr wissen: Was war das für ein Typ, der hier im Mittelalter unterwegs war, die Leute, mit denen er zu tun hatte, wörtlich nahm, Eisenteile wahllos aneinanderschmiedete, einen Bratapfel mit Ungeziefer füllte, um sich zu rächen, und allerhand anderen derben Schabernack trieb?

 

Auch in Tills Geburtsort Kneitlingen staunen wir. Richtig mittelalterlich sieht der Platz um die Kirche und das Bauernhaus daneben aus, in dem Till geboren worden sein soll. Im Dorfteich jagen sich die Enten. Vor der Kirche steht ein Eulenspiegel-Denkmal.

 

Ein paar Meter weiter gibt es einen alten Brunnen. Mit Till und seinen drei Taufen hat er aber nichts zu tun, stellt sich später heraus. Wen der Kinderkopf am Brunnen darstelle, sei ein ungelöstes Rätsel, sagt Eulenspiegel-Darsteller Dag Wachsmann auf Nachfrage. Wir steigen wieder auf und radeln weiter Richtung Schöppenstedt – zum Eulenspiegelmuseum. Dort kann man sehen, wie sich andere mit Till auseinandergesetzt haben. Alte Bücher, Bilder, Skizzen, Zeichnungen und Drucke sind ausgestellt. Es gibt eine Vitrine mit Freunden Till Eulenspielgels. Die Liste ist lang. Sie reicht von Konrad Adenauer bis Peter Maffay. Als wir vorbeikommen, ist das Museum aber geschlossen. Es öffnet am Samstag, 1. März.

 

Wir radeln nach Hause. Außerhalb Schöppenstedts schaue ich Richtung Brocken. Die Bergspitze ist nicht mehr zu sehen. Der Wind bläst eine Wolkenwand Richtung Wolfenbüttel. Wir wählen den kürzesten Weg und fahren so schnell wir können. Noch bevor es regnet, sind wir zu Hause.

 

Abends liege ich mit müden Beinen auf dem Sofa, blättere in Hermann Botes Eulenspiegel-Buch und erinnere mich an den Eulenspiegel-Experten Alexander Schwarz, der meint: „Das Faszinierende an Till ist seine Widersprüchlichkeit. Man kriegt ihn nie zu fassen.“

 

RUND UM TILL

Der Eulenspiegel-Radweg ist etwa 60 Kilometer lang. Er verbindet verschiedene Stationen aus Eulenspiegels Leben zwischen Wolfenbüttel und Schöppenstedt. An jeder Station gibt es eine Hinweistafel mit Informationen. Der Weg ist gut ausgeschildert.

Weitere Informationen: www.schoeppenstedt.de Eulenspiegel-Museum.

Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag, 14 bis 17 Uhr, Samstag und Sonntag , 11 bis 17 Uhr.

 

Quelle: Braunschweiger Zeitung, 1. März 2014